Marika Schleberger, ein Erlebnisbericht

Ich bin 1965 geboren und konnte schon mit fünf Jahren schwimmen, dann wasserskilaufen und schon früh begeisterte mich das Segeln, mit zehn Jahren war ich stolze Eignerin einer Jolle. Heute segele ich ein Folkeboot auf der Ostsee. Ich bin Physikerin und habe gerade, mit 35 Jahren habilitiert.

(Dieser Bericht wurde auf dem Boot mit einem Taschen-Computer geschrieben und so hierhin übernommen.)

Traktat über das Schlafen oder Neulich in der Mischmaschine:

 Das nur zur Warnung: ungestörtes Schlafen ist unmoeglich. 

Da ist zunaechst das unglaubliche sammelsurium an geraeuschen, an dem stockhausen seine freude haette. Es knarrt, quietscht, pfeifft, reisst, poltert, schlaegt, pfeift, gurgelt, rauscht, klirrt, aechzt, klappert,... Praktisch jedes geraeusch zu dem jemals ein wort erfunden wurde, kommt auch vor. 

Dazu einige für die es einfach keine worte gibt. Dabei uebertreffen sie sich gegenseitig an nervigkeit und intensitaet. Manchmal kommt ein neues geraeusch dazu und man sorgt sich. Das boot klingt dauernd, als wuerde sich jeden moment die innenschale vom rumpf trennen, aber ein kleines zusaetzliches plopp irgendwo macht einen nervös. 

Man liegt in diesem ohrenbetaeubenden crescendo und hoert nur noch das plopp und wartet auf den dazugehoerigen zwischenfall. 

Wunderbare selektive wahrnehmung. Wer segeln mit ruhe in verbindung bringt, war noch nicht auf dem atlantik. Niemals und zu keiner zeit ist es still und niemals liegt das boot ruhig. Manchmal, fuer einen kurzen augenblick, in dem das boot noch nicht entschieden hat, ob es jetzt die rechte flanke des wellenberges hinunterfallen moechte oder doch lieber den linken steilhang hinabschiessen will, in solchen augenblicken steht es vermeintlich still. Eine stille, die aber so voller tosender erwartung steckt, was im naechsten moment wohl passieren wird, dass man förmlich den Atem anhält. 

Die bewegungen des schiffes sind weich, aber unglaublich weitraeumig. Der autopilot haellt nur im mittel den eingestellten kurs und das schiff nutzt den spielraum reichlich. Dabei empfindet der fast-schlafende die bewegung anders als jemand der an deck sitzt. In der koje hat man zunaechst das gefuehl, man liegt in einer mischmaschine. Hin und her, vorwaerts rueckwaerts und nochmal von vorn. Als wuerde eine riesige faust das schiff kurz festhalten, um es dann kurz danach mit doppeltem schwung nach vorne zu schleudern. Man spuert foermlich die kompression wie beim skifahren und ist erleichtert, wenn der rumpf durch lautes knirschen seine erloesung bekannt gibt. 

Zuerst fliegt das Heck (indem sich unsere Koje befindet) in die Höhe, wie bei einem ausschlagenden Esel. Das anschliessende heftige Rollen um die Längsachse fuehrt dazu, dass man nur in der stabilen seitenlage einigermassen sicher auf der stelle liegen bleibt, die als Schlafplatz vorgesehen war. Gut dass ich vorher noch einen erste-hilfe-kurs gemacht habe. 

Liegt man auf dem Bauch, schwappt man wie ein Wassersack hin und her, nachdem man die kraftraubenden und sinnlosen Versuche sich am Laken festzuhalten, eingestellt hat. Aus den vorderen Kojen hört man Gerüchte über Sprünge und Hopser. Wenn ich es mir noch einmal durch den Kopf gehen lasse, erinnert es mich schon ein bisschen an die zappelnden Fische, die wir gelegentlich am Haken haben... 

Trotz dieser ständigen KakoKinophonie und finden die Leute genügend Schlaf, um zu träumen. Papa träumt davon, daß das Schiff beigedreht ganz ruhig liegt und er deshalb wach wird. Andreas träumt, daß er aus dem Zug auf die Nachbargleise fällt und stocksteif den Shinkansen auf sich zurasen sieht. Ich träume davon, Plankton zu sehen und daß mir der Masttopp der Tordo entgegenfällt, Als ich versuche sie an Land zu ziehen. Christian träumt von drei-finger-dicken Steaks und Lobstern.

 Interessanterweise entschliessen sich einige Gegenstände erst nach Tagen, sich dem Rollen und Schaukeln nicht länger anzupassen, sondern stattdessen Krach zu machen, in dem sie vehement gegen die Schranktür poltern, die sie einsperrt. Wahrscheinlich hatten sie gehofft, die Schaukelei ginge vorbei und haben jetzt einfach die Nase voll. Noch 21 Nächte oder 2150 Seemeilen.

 

Wer das komplette Tagebuch lesen will, sollte es im Downloadbereich laden.

zurück einmal klicken